Bekloppte Segler

Nach einer frostigen Nacht bin ich froh, den elektrischen Heizkörper im Frühjahr dauerhaft auf Lütt Matten deponiert zu haben. Das Frühstück gönne ich mir dann auch lieber im warmen Salon. Kräftiger kalter Wind drückt Lütt Matten vom Steg weg und ich muss zuerst die Festmacher neu justieren, um überhaupt an Land zu kommen. Meine erster Weg führt mich zum Hafenmeister, um mit ihm das Einwintern des Motors und des Bord-WCs zu besprechen. Zudem benötige ich bei der heutigen steifen Brise eine helfenden Hand, um die Segel abschlagen zu können. 

Der Kapitän der Marina und Werft residiert im oberen von zwei übereinander gestapelten Wohncontainern. Scheinbar hat sich trotz Saisonende die Arbeitssituation für ihn noch nicht entspannt. Wie schon bei unserer ersten Begegnung wirkt er kurzatmig und hoffnungslos gestresst, strahlt aber für norddeutsche Verhältnisse eine warmherzige Freundlichkeit aus. Der gute Mann ist ein Unikum. Auf seinem Schreibtisch stehen nebeneinander drei Computerbildschirme so drapiert, als gälte es von hier aus den den gesamten Flugverkehr über Kiel zu regeln. Sein auf dem Kopf etwas schief hängendes Headset verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Parallel zu unserem Gespräch erfolgen wie auf einem Flughafentower permanent Rücksprachen und Anweisungen mit der Bodencrew. Scheinbar ist hier jeder Mitarbeiter mit einem Telefon ausgestattet und wird von dieser Leitzentrale entsprechend gesteuert. Fehlt nur noch ein Joystick. 

Während also der Chef in den Arbeitsverkehr der Werft immer wieder regelnd eingreift, besprechen wir die notwenigen Dinge. So nebenbei öffnet der gute Mann eine Schublade, in die ich dann im übertragenen Sinne gesteckt werde. Alle Segler, die freiwillig die Ostsee verlassen, Helgoland ansteuern oder gar noch weiter westlich ziehen wollen, sind nämlich nicht ganz klar im Kopf, eben bekloppt. ??? Ob hinter dieser freundlich und doch ernsthaft vorgetragenen Meinung eigene ungute Erfahrungen stecken, kann ich nur vermuten. Jedenfalls steht jetzt auf meiner Stirn ganz dick “Bekloppt“. Ich habe nichts dagegen. Bei nasser Kälte und hohen Wellen denke ich das ja auch manchmal von mir… 

Das Abschlagen der Segel funktioniert dann mit Hilfe des gestern schon kurz erwähnten Feierabend-Azubis super. Der findet übrigens den Möwen-Schietkram an Lütt Mattens Steg jetzt auch irgendwie blöd. 

In neuen Rekordzeit bekommen wir Groß und Genua runtergezogen und verpackt. Die Segel nehme ich in diesem Jahr wieder gen Heimat mit, warm und trocken gelagert in meinem Arbeitszimmer, zum Entzücken meiner besten aller Skipperfrauen. Joo.

Der Dinghimotor landet in der Backskiste, der Adenauer wird vom Achterstag gebänselt, Matratzen werden zwecks guter Durchlüftung quer gelagert. Viel Kleinkram halt, um Lütt Matten gut durch den Winter kommen zu lassen. Mein Bulli ist am Ende randvoll. Eben flex und nicht flix (siehe gestrigen Blogeintrag). 

Bevor ich mich hier vom Acker mache, plausche ich noch einen Augenblick mit zwei Mitarbeitern der Werft und bitte sie, in den kommenden Monaten ein gutes Auge auf mein Bötchen zu haben. Es ist ein Experiment, Matten in diesem Jahr im Wasser überwintern zu lassen. So ganz wohl ist mir nicht dabei.

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