Rolling home

Nach einem ausgiebigen Frühstück starten wir gemeinsam Richtung Altstadt. Laura findet schnell ein Taxi, das sie zum Flughafen bringen wird. Wir verabschieden uns herzlich und ich sage Danke für die gemeinsame Segelwoche. Gerard und ich suchen den nächstgelegenen Lebensmittelladen auf. Die Proviantliste ist kurz und wir können schnell zu Lütt Matten zurückkehren. Ich prüfe kurz die Ölstände, bespreche mit Gerard die Ablegetaktik aus dem sehr engen Liegeplatz. Gemeinsam gelingt das Manöver problemlos und wir zuckeln 100 m weiter zur Tankstelle. Hier habe ich den ersten Festsitzer mit Matten. Gut, dass ich die Manöver grundsätzlich sehr laaangsam fahre. Rückwärtsgang, und wir sind sofort frei. Also einen Bogen schlagen und erneut die Tanke ansteuern. 60 Liter fassen wir nach und schieben Mattens Nase schnell Richtung Hafenausfahrt. Wieder dippen wir respektvoll den Adenauer vor der Westerplatte.

Hart am Wind mit ordentlich Lage segeln wir Richtung Halbinsel Hel. Dank AIS wurschteln wir uns gut und sicher durch den Schiffsverkehr. Bis 18 Uhr können wir noch mit vertretbarer Geschwindigkeit segeln.

Dann müssen wir leider wieder den Motor um Hilfe bitten. Das wird wohl jetzt auch längere Zeit so bleiben. Nebel zieht auf und ich schalte das Radar an. Um Sieben beginnen wir unser Wachsystem mit zweistündigem Wechsel. Wieder zieht unbeobachtet ein weißer Ponton knapp an uns vorbei. Manno, so was macht mich nervös.

Gegen Fünf quält sich die Sonne duch die Nebelsuppe und die Sicht wird langsam besser. Der zweistündige Wachwechsel bewährt sich. Ich finde guten und erholsamen Schlaf und die Zeiten in der Pflicht vergehen recht schnell. Kurs überprüfen, andere Schiffe und deren Weg im Auge behalten, Logbuch schreiben, über viele Dinge nachdenken.

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Nebelsuppe und abnehmender Wind

Gegen Acht startet Gerard einen neuen Versuch, den wenigen Wind für uns nutzbar zu machen. Immerhin holt er aus 5 Knoten Wind 3 1/2 Knoten Fahrt durch das Wasser. Respekt. Aber nach einer Stunde ist wieder Happy-Dümpel-Time und ich werfe den Diesel an. Gerard gewähre ich gerne eine längere Schlafpause, denn er quält sich mit Kopfschmerzen. Vielleicht tat ihm der kalte Nachtnebel nicht gut.

17 Uhr. Die See wabbert wie Quecksilber. Null Wind. Zwischenzeitlich konnte ich für gut eine Stunde vernünftig am Wind segeln. Dann war wieder Schluß. Wir wollen ja vor Pfingsten in Warnemünde eintreffen. Gerard liegt immer noch krank in seiner Koje. Ich stelle mir den Timer meines Telefons wiederholt auf zehn Minuten, um zumindestens etwas Schlaf zu haben. Dazwischen das übliche Programm mit Lagepeilen etc. Vielleicht rappelt sich mein Mitsegler wieder und läßt uns geteilt durch die kommende Nacht fahren.

18 Uhr. Gerard meldet sich zurück und kümmert sich gleich um eine warme Mahlzeit. Eine polnische Fähre kreuzt genau unseren Kurs und zwingt uns, einen Haken zu schlagen. Momentan zählen wir zu den „Maschinenfahrzeugen“ und sind in diesem Fall ausweichpflichtig. Gleichzeitig in Sichtweite sind ein Segler, der mühevoll den Wind einfängt und ein manövrierbehindertes Schleppfahrzeug. Was ist denn hier los? Zuerst sind wir ganz allein und nun ein stauverdächtiger Verkehr. Die Nähe Bornholms wird der Grund sein.

19 Uhr. Ich kann endlich in die Koje. Gerard packt der Ehrgeiz und zieht die Genua raus. Motor aus und es beginnt ein kleines Rennen mit dem Segler an Steuerbord.

21 Uhr. Ich trete meine Wache an. Der Segler liegt in unserem Kielwasser. War ja klar bei Gerards mehr als vierzigjähriger Segelerfahrung. Ich habe ihn zwischenzeitlich „Spiderman“ genannt, weil er quer über Lütt Matten zusätzliche Leinen zieht, um die Genua nach seinen Vorstellungen zu trimmen. Für mich ist es dann nur schwer, dieses Spinnennetz bei Segelmanövern wieder aufzulösen. Doch die Segelgeschwindigkeit gibt ihm recht. Mir selbst ist das Gezuppel und Leinengedöns zu viel. Nur eine „Leinenformation“ werde ich mir merken und zukünftlich selbst nutzen.

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Leinenformation, die ich mir einpräge

Die untergehende Sonne, die platte See und das lautlose Dahingleiten lassen mich tief durchatmen und glücklich sein, diesen Moment mit Lütt Matten genießen zu können.

(Zum Video: der Motorkegel hängt standby unter der Backbordsaling, darüber die niederländische Flagge)

Um Zwei trete ich meine nächste Wache an und erhalte den Hinweis, uns von einer Gefahrentonne freizuhalten. 3 Blitzlichter, soll heißen, östlich umfahren. So habe ich das auch mal gelernt und befolge den Hinweis. Nur, diese Tonne bleibt ständig am Horizont kleben und will nicht näher kommen. Vielleicht schaue ich mal in die Seekarte und siehe, dat is man keine östliche Gefahrentonne, sondern einfach ein Leuchtfeuer (Leuchtturm) bei Saßnitz. Na gut, die langsam aufgehende Sonne hätte sicher auch verhindert, daß ich Lütt Matten gegen Rügens Steilküste gedengelt hätte. Innerlich feixe ich, daß dem alten Salzbuckel Gerard auch mal ein Fehler passiert.

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Leider etwas zu früh bei den Kreidefelsen
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180 Grad-Foto

In manchen Geschichten las ich, dass nach einigen Tagen auf See das Land einen eigenen Duft hat. Es ist tatsächlich so. Rügen sendet einen intensiven Frühlingsgruß an meine Nase, den ich selten so erlebt habe. Irre.

Der Wind frischt weiter auf. Ein heißer Ritt gen Westen beginnt. Rügen, Hiddensee und der Darß fliegen an uns nur so vorbei. Mit extremer Schieflage und wenig Wellengang ist das jetzt Segelspaß pur, den allerdings nicht jeder so empfinden würde. Ich habe ausreichend Vertrauen in Matten und genieße das intensive Gurgeln an Mattens Heck. Vor Darßer Ort ist wieder Schluß. Wir müssen taktieren, um überhaupt ohne Motor um die Ecke zu kommen.

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Segelspaß vor Darß

Dann beginnt Rasmus sein Spiel mit uns. Wind an, Wind aus, Wind an, Wind aus. Gerard verpennt diese Neckerei und ich darf alleine die Segel rausziehen bzw. wieder einholen. Dann dürfen wir endlich mal länger den Wind genießen und ich finde irgendwie den richtigen Trimm, um Matten ordentlich auf Trab zu bringen. Und wir überholen dabei mehrere Segler. Ich fasse es nicht. Und ein wenig Stolz wirft dieser Aktion schon ab. Dabei habe ich ja bisher derlei Rennen abgelehnt. Werde ich auch weiterhin tun, zumindestens wenn ich der Verlierer bin.

Ankommen in Warnemünde. Take five. Das waren jetzt in einem Ritt 270 sm. Trotzdem reicht zunächst jeweils ein Anlegerbier für uns beide. Eine erfrischende und salzfreie Dusche für uns und später für Lütt Matten sind auch nicht zu verachten.

Ungute Nachrichten von meinen Eltern unterbrechen meine Freude am Ankommen und lassen mich vorerst mit diesem Bericht enden. Bilder etc. folgen später. Korrekturlesen hole ich nach. Ahoi.

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