Warnemünde – Barhöft , 47 Seemeilen Segelspaß

Der Ableger

Der Wecker klingelte  planmäßig gegen halb Sechs. Das Frühstück beschränkt sich auf einen koffeinhaltigen Kreislaufbeschleuniger. Während dessen erläutere ich meine Ablegetaktik. Tina spannt ein Fangseil an der luvseitigen Sorgeleine. Hannes kümmert sich um die Backbordfestmacher. Fender rein und schon schleichen wir uns aus der Box. Die Ablegetaktik geht auf. Der Bugstrahler bleibt ungenutzt. So dürfen auch die letzten hartgesottenen Hafenschläfer sich weiter ungestört in den Wogen wiegen.

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Hohe Düne – Darßer Ort , 23 sm

Auch wenn die Sonne sich noch hinter dem Horizont versteckt, läßt der fast volle Mond beim Verlassen der Marina grau-schwarze Konturen erkennen. Meine Lieblinge, die Stellnetze, sollten also rechtzeitig erkennbar sein. Fender und Leinen sind fix verstaut und so können wir die Segel schnell hochziehen. Der Wind kommt aus südwestlicher Richtung mit 10 Knoten. Es geht  mit guten 5 Knoten vorbei an Markgrafenheide und Graal-Müritz. Wir bleiben damit annähernd im Plan, noch vor Sonnenuntergang vor Hiddensee zu sein. Circa 45 sm wollen wir heute segeln. Dafür stehen uns 10 Stunden Sonnenlicht zur Verfügung. Na, die Rechnung ist einfach. Alles, was über 4,5 Knoten schnell ist, hilft. Gegen 9 Uhr gönnen wir uns das eigentliche Frühstück im Cockpit. Der Autopilot rödelt zuverlässig. Mit dem leicht achterlichen Wind und den querlaufenden Wellen hat er etwas mehr Arbeit. Wir sind fast alleine. Ein Zerstörer der Marine zeigt sich kurz, bleibt aber auf dem AIS unsichtbar. Auf unserer Höhe angekommen, macht er eine Kehrtwende. Was der wohl kontrollieren wollte?
Kurz vor Darßer Ort kommt uns tatsächlich ein zweiter Segler in die Quere. Dieser geigt vor unserem Bug hin und her und vermagt seinen Kurs nicht sauber halten zu können. Ich brülle mal kurz rüber. Ein regelkonformes Überholmanöver sieht anders aus.  Der Skipper scheint nun das Ruder zu übernehmen und die Gefahr ist gebannt. Warum sich die einzigen zwei Segler auf der Ostsee hier begegnen müssen, wird nur McMurphy erklären können. Dass am Ende die um einen Fuß kürzere Bavaria uns ihr Heck zeigt, ist schon ärgerlich. Allerdings zieht sich das Überholmanöver fast 10 sm hin.  Ich zuppel an den Segeln, beobachte die Windfäden und laß mir von Hannes dabei immer wieder unsere Geschwindigkeit ansagen. Meistens kehre ich erfolglos zur ursprünglichen Konstellation zurück. Die unteren Windfäden der Genua wollen einfach nicht in die Waagerechte. Da hilft auch kein Verschieben des Holepunktes. Ich muss mich da nochmal schlaumachen.

 

Darßer Ort – Hiddensee, 19 sm

Mit der westlichen Kardinaltonne vor Darßer Ort ändern wir unseren Kurs und segeln nunmehr einen Am-Wind-Kurs. Nachdem wir beide Segel ordentlich dicht geholt haben, legt sich Matten schön und noch erträglich auf die Backe und beschleunigt. Ab 7 Knoten beginnt es am Heck von Lütt Matten ordentlich zu gurgeln. Dieser Kurs liegt mir. Auch der Autopilot ist nun fast arbeitslos. Tina will uns einen Tee kochen, gibt aber nach ersten Signalen von Übelkeit ihr Vorhaben auf und kehrt ins Cockpit zurück. Gute Entscheidung, denn schon bald ist sie wieder topfit. Hannes kompensiert das für seine Generation unübliche Frühaufstehen nunmehr durch Powerchillen.

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Zwischendurch gehe ich übervorsichtig mit der Genua ins erste Reff. Doch war die zwischenzeitliche Windzunahme nur eine kurze Episode und ich lasse Tina und Hannes wieder ausreffen.  Matten dankt es mit 1,5 kn Geschwindigkeitszuwachs. Doch wo ist plötzlich die geigende Segelyacht? Dieses Rätsel wird sich erst später auflösen lassen.

Bis kurz vor Hiddensee kreuzt nur ein baggerndes Schiff ungefährlich unseren Kurs. Knotenüben und Kürbissuppe verkürzen uns die Zeit. Hannes und Tina missbrauchen die Halterung meiner Winschkurbel als Sektflaschenhalter. Ich gewähre diesen kleinen Perlentrunk, verzichte aber selbst. Prinzipien halt.

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Hiddensee – Barhöft,  4 sm

Vor Hiddensee holen wir die beiden Segel runter und hangeln uns ab Tonne 10 an der westlichen Küste in Richtung Barhöft. Natürlich gibt der Motor wieder Warnung. Das Display des Motors zeigt ein Batteriesymbol. Kühlwasser und Öl sind okay. Also drücke ich den Warnton vorerst weg. Die Sonne spendiert uns derweil  einen wunderbaren rötlichen Horizont. Es wird Zeit für uns, zumal die Buglaterne ihren Dienst versagt.

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Ich klariere die Festmacher auf beiden Seiten und belege auch die Mittelklampen. Hannes und Tina bändseln die Fender mit dem frisch erlernten Webeleinstek fest.  Der Barhöfter Hafenmeister hatte mir schon bei meinem Anruf vor drei Tagen den Kopfsteg zugwiesen. Ein Richtfeuer mit 229 Grad weißt zielsicher den Weg. Ich gebe meiner Crew noch kurz meine Strategie bekannt und verteile die Aufgaben. Also ist eigentlich alles klar zum Anlegen. Eigentlich, denn der Skipper (d.A.) vergißt seine Anweisung zum Raushängen der Fender. So legen wir absolut ungepolstert am Steg an. Tina gibt mir am Bug den Abstand. Hannes steht an der Mittelklampe bereit zum Sprung.  Da ich das Anlegemanöver gaaaanz langsam fahren kann, bleibt Matten ohne Stegberührung und das Ankommen bleibt ungetrübt.  Wir geben uns die Five und wenig später ist es auch schon stockdunkel. Hafengebühr löhnen, Anlegerbier und Essen im Hotel Seeblick, dass den letzten Abend in dieser Saison geöffnet hat, sind dann die letzten Aktionen des Tages.

Im Hafen treffe ich dann auch unsere geigenden Segler, die wir hinter Darßer Ort gänzlich aus den Augen verloren hatten. Ich komme mit dem Skipper ins Gespräch, der provokativ vermutete, wir hätten die Pocken. Haben wir aber nicht (Bestätigung erfolgt nach dem Auskranen am Montag. Mattens Rumpf sieht noch super aus.).  Weshalb wir uns aus den Augen verloren haben, ist schnell erzählt. Ich wählte den regelkonformen Kurs abseits des Darßer Nationalparkes und gönnte uns somit einen ordentlichen Umweg. Außerdem waren mir die Untiefen mit unseren 1,90m Tiefgang auch nicht ganz egal. Den eigentümlichen Kurs der 35er Bavaria, der mich zeitweise etwas in Aufregung versetzt hatte, lasse ich höflicherweise unerwähnt. Nobody is perfect. Ich schon gar nicht.

 

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