Blinder Passagier und Hafenkino

Moin,

der Morgen in der Marina ist recht geschäftigt. Segler mit rallymäßiger Nummerierung an der Reeling bereiten sich auf irgendeine Regatta vor, die mangels Wind wohl auf morgen verschoben wurde. Ich widme mich den vier verbindenden Schrauben der Mikrowelle, die nunmehr wieder das  hässliche Loch über der Pantry füllt. Der Funktionstest verläuft positiv. Das nervöse Knistern ist verschwunden. Mit für heutige Verhältnisse günstigen 20 Euro bin ich recht glimpflich aus dieser Reparaturnummer herausgekommen. Bin nur gespannt, welches Bootsteil demnächst von der Endlichkeit ihres Seins künden wird. 

Nachdem mein Magen nach Beschäftigung verlangt, der morgendliche Kaffee scheint nicht zu genügen, hole ich die Verproviantierung nach. Leider befindet sich meine Fischbude noch im vorsaisonalen Modus und der Matjeshering bleibt eine kulinarische Phantasie. 

Zurück an Bord entdecke ich einen blinden Passagier, der sich im Großbaum wohl ein kuschliges Nest gebaut hat. Wie sich herausstellt, scheint es ein Rotschwänzchen zu sein. Angesichts des fortgeschrittenen Frühlings traue ich mich nicht, dem möglicherweise im Wachsen begriffenen Nachwuchs im Bauminneren mittels Panzertape die elterliche Nahrungszufuhr zu versagen. Allerdings kann es morgen beim Rausziehen des Großsegels für die ungebetenen Gäste etwas ungemütlich werden. Mit dem Ziehen der Wetterdaten und einem Motorcheck enden dann die Vorbereitungen für den morgigen Tag. Diesmal will ich mehr den Weissagungen des Deutschen Wetterdienstes trauen und plane nur einen vormittäglichen Ausflug vor Warnemünde. Zum Nachmittag sollen Wind und Wellenhöhen kräftig zulegen. Doch heute flautet der Tag komplett. Die fehlende Ventilation läßt es im Cockpit heiß werden und ich verziehe mich immer wieder zur Abkühlung in Mattens Bauch. Untätigkeit gehört dabei nicht zu meinen Stärken. Und so schwinge ich den Feudel. Wie sich herausstellt, war es auch Zeit, denn der hölzerne Fußboden kaschiert gekonnt mangelnde Pflege. So verdödel ich den Resttag mit weiteren wenig berichtenswerten Beschäftigungstherapien, reaktiviere mein SKS-Wissen über Schallsignale und genieße ab und zu das wenig spektakuläre Hafenkino. Bei dem nicht vorhandenen Wind müssen ja auch alle in Sichtweite befindlichen An-und Ablegemanöver gelingen. Neidisch schaue ich auf diejenigen Skipper, denen zweite und dritte Hände an Bord das Handling doch wesentlich erleichtern. Zu meiner Ehrenrettung sei angefügt, dass ich natürlich nur aus Gründen der Wissensvermehrung den Manövern neugierig zusehe. 

Den Abend verbringe ich entspannt mit Youtube-Bespaßung und Lesen, während irgendwo ein Feuerwerk abgefackelt wird, Jagdhornbläser zum Halali blasen und die noch anwesende Regattagemeinde lauthals feiernd die über dem Hafenbüro hängende Schiffsglocke mehrmals zum Läuten bringt. Den einzig nervenden Schlußpunkt setzt wieder ein auslaufendes schwimmendes Hotel, das meint, alle Einwohner von Warnemünde müssten jetzt senkrecht im Bett stehen. 

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