Avocado macht keine Rotweinflecke

IMG 5891 - Avocado macht keine Rotweinflecke

Wir stehen heute früher auf, denn 330 Kilometer sind unter die Räder zu nehmen. Beim Eintüten unserer Koffer begrüßt uns kalter Regen, wohl ein Buchungsfehler. Storno geht nicht, also Flucht nach vorne und los. Nicht lange unterwegs, kommt es noch dicker. Schneetreiben und graue Sülze sind schlechtes Schwarzweißfernsehen. Talabwärts beruhigt sich die Lage. Irgendwann zeigt sich blauer Himmel. Natur satt, jetzt als Farbfilm. Hier ein Wasserfall, tolle Panoramen und Wege, die sich zwischen hohen Bergen und türkisfarbenen Seen quetschen. Mein Fahrstil auf den Schotterpisten findet angesichts der nicht immer ausweichbaren Schlaglöcher ungeteiltes Stönen. Also, ich finde, 70 km/h sind die beste Geschwindigkeit, um Bodenwellen zu überfliegen. Bei rechtsrandigen Schluchten werde ich allerdings vorsichtig. Leitplanken sind nur sporadisch vorhanden. Einen weiteren Höhepunkt unserer Reise erleben wir mit dem Mamorhöhlen und – felsen am Lago General Carrera. Wir buchen eine Bootstour. Versehen mit Schwimmwesten und gelben ostfriesischen Ponchos und bei respektablem Seegang durchreiten wir die Wellen. Erst leeseitig beruhigt sich der See. Was wir bewundern können, kann man ein Zauberwerk der Natur nennen und zählt berechtigterweise zu den Top 10 Chiles. Der auskunftsfreudige Guide erzählt uns viel über die Entstehungsgeschichte der Felsen. Die Verständigung ist gut, da Daniel (unser Guide) gutes Englisch spricht. So erfahren wir manches, was über die reine Szenerieerklärung hinausgeht: Fehlendes Wasser, das seine Ursache im fehlenden Schnee der letzten Jahre hat, überbordende Jugendliche, heiratswütige Paare an der Mamorkapelle und kommende Touristikprojekte in der ansonsten nur von Holz- und Weidewirtschaft lebenden Region.

Überglückliche kehren wir zurück, gönnen uns in einem alten Reisebus Hotdogs mit Avocadocreme, die man Completo mit nennt. Dabei lerne ich eine neue Lebensweisheit von Grit kennen: Avocado macht keine Rotweinflecken. Ein Phänomen, über das ich bisher nicht nachgedacht habe.  Wenn alle dies wüßten, wäre die Welt an mancher Stelle sauberer.

Nach zwei Stunden kehren wir zum Auto zurück und sind vor Glückseeligkeit platt, wie auch einer unserer Reifen. Schon heute früh pumpten wir an einer Tanke ordentlich Luft in die Pneus, da zumindestens ein Rad uns etwas unförmig vorkam. Nach rund 200 km war wieder die Luft raus, aber ordentlich. Reifenwechsel war angesagt. Dank bebildeter Bedienungsanleitung (so etwas lesen Männer sonst nie!), gelingt der Austausch der Gummis unkompliziert. Vor unserem Grenzübertritt nach Argentinien wollen wir morgen einen Vulkaniseur finden. Heute wird daraus nichts mehr.

Mit dem letzten Büchsenlicht erreichen wir Cochrane.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »