Frauen an Bord

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Eine alte Seemannsweisheit besagt, Frauen an Bord würden dem Schiff Unglück bringen. Aber das ist wohl doch nur eine alte Mär. Wir hatten eine schöne Zeit. Gestern sind die beiden Pilgerinnen recht unbelastet, die schweren Rucksäcke verblieben an Bord, ihre ersten Wanderkilometer gen Westen gezogen, hatten dabei wieder lustige und skurrile Begegnungen mit Mitmenschen, wie man sie nur auf derartigen Pfaden erleben kann. Jedenfalls meldeten sich Uli und Grit am frühen Abend beschwingt von der anderen Seite des Alten Stroms zurück. Ein freundlicher Mercerdes-Cabriofahrer chauffierte die zwei komfortabel und sein eigenes Ziel vergessend von Heiligendamm zurück nach Warnemünde. Dort trafen wir uns zur diesjährigen Scholle Nr.2.

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Das Mahl mundete, der Wein auch, wobei schon nach einem halben Glas die Fröhlich- und Redseligkeit der Pilgerinnen exponentiell zunahm. Die lustige Runde fand an Bord von Lütt Matten leider nur eine kurze Fortsetzung. Die vielen Strandkilometer in den vier Pilgerbeinen zeigten Wirkung. Das schwere Sandgetrete erfordert wohl doch einiges mehr an Energie als ein sanfter Pilger-Waldweg. 

Nach einem ausgiebiges Frühstück und dem Packen der Pilgerrucksäcke, deren Gewichte sehr einer Selbstkasteiung gleichen, setzen wir per Fähre nach Warnemünde über. Bei einem kurzen Tankstop bewahrt mich ein Schutzengel vor einer Kollision mit einem einem rasant einfahrenden Mercedes. Das war eine Zehntelsekundensache, als ich beim Zurückhaken nur einen Schatten im Rückspiegel vorbeiziehen sah. Angesichts des uns ersparten Unglücks blicke ich kurz und dankbar gen Himmel und beschließe dafür, die kürzliche Verlustigkeit meines 50-Euro-Adapters gerne als ungleiche Kompensation abzuhaken. 

Vor Bad Doberan, dem heutigen Startpunkt der Pilgerinnen, wird aufgrund einer verstauten Baustelle mein Fahrdienst abrupt beendet. Nichts geht mehr. Also setze ich Uli und Grit ab und lasse die beiden nunmehr ihren eigenen Weg pilgern. Trotz der scheinbar mit Wackersteinen gefüllte Rucksäcke werden sie die Stadtgrenze von Bad Doberan zu Fuß sicher früher erreichen.

Für die Rückfahrt wähle ich eine andere Strecke, die mich nun über altbekannte Ortschaften führt. Allerdings sind es nur die Namen auf den Eingangsschildern, die Erinnerungen hervorrufen. Zu viel hat sich geändert. Mein Vater hat in den 70er Jahren in dieser Gegend viele Felder mit Entwässerungsgräben durchzogen und mich manchmal in seinem klapprigen Dienst-Moskwitsch auf seinen Inspektionsfahrten mitgenommen. Ich suche nach dem Duft, den das alte Polster des russischen Opel-Plagiats versprühte. Öl, Benzin, Butterbrote, Aktentasche, Holzkasten des Nivelliergerätes. Irgendwie so. 

Nach 30 Jahren fehlt mir angesichts der vielen neuen Wohn- und Gewerbegebiete völlig die Orientierung. Ich strande am westlichen Ortseingang von Rostock. Hier war doch früher die Ostseemesse, oder? In der Kröpeliner Straße finde ich Ersatz für meinen Bilgenschwund und lasse gleich das bockende „S“ der Tastatur meines neu erworbenen Apfel-Buches ( für nicht Eingeweihte: Apple-Notebook) richten. Vergeblich suche ich “Stiller-Eis“. In meiner Kindheit bin ich manchmal extra per Fahrrad mehrere Kilometer zu dieser traditionsreichen Rostocker Institution gefahren, um mir für eine Mark den Magen mit zehn leckeren Eiskugeln zu unterkühlen. Schade.

Zurück in Warnemünde darf ich nun wieder mein Dasein als einsamer Seebär frönen und hänge den Bildern meiner Kindheit nach. Die Sonne hat sich mittlerweile hinter hellgrauen Wolken  verkrochen. Mir fehlt der Antrieb und die Lust, jetzt noch die Leinen zu lösen. Ich bastel weiter an meinen Videos und einer besseren Internetverbindung. Das Tagebuch wartet auch noch auf mich.

Ahoi

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