Auch ohne Wecker bin ich rechtzeitig wach. Trotz trüben Wetters beschließe ich jedweden Gedanken an eine Rückkehr in die kuschlige Koje zu verdrängen. Zähneputzen, Kaffeekochen, Dieselheizung anschmeißen. Meine Crew findet langsam und ohne Murren aus den Federn. Das Frühstück verschieben wir auf später. Landstromkabel einholen, Systeme prüfen, Ablegemanöver kurz erklären. Und zack sind wir mit Matten aus der Box. Fender und Festmacher verstauen und Rettungswesten anlegen. Ja, ich weiß, sollte man früher machen. Andreas bitte ich ans Ruder und lasse ihn in den Wind gehen. Groß raus, zuerst nur bis zum ersten Reff. Wenig später folgt die Genua. Motor aus. Aaah. Der Wind kommt aus Südwest und bläst mit 15 Knoten. Ideale Bedingungen. Nachdem die Mannschaft keinerlei Anzeichen von Seekrankheit zeigt, ziehe ich auch das restliche Tuch raus. Die Krängung hält sich in Grenzen und bleibt für alle verträglich. Etwas voreilig beglückwünschen wir uns gegenseitig, die Marina trotz Regen verlassen zu haben.
Batterien ohne Stehvermögen
Wir sind fast alleine auf der Ostsee. Recht nahe an der Küste taucht ein 38er Katamaran auf, der, wie sich später heraustellen wird, uns bis Barth begleiten wird, allerdings ohne Segel. Leider machen plötzlich Mattens Servicebatterien schlapp. Damit habe ich schon lange gerechnet, denn die zwei Blei-Säure-Batterien sind jetzt neun Jahre alt. An sonnigen Tagen sorgten die Solarpanelen noch für ausreichend Aufladung, sodaß mir das mangelnde Durchhaltevermögen der Akkus bisher verborgen blieb. Bei dem heutigen diesigen Wetter reicht nun der sonnige Ladestrom eben nicht mehr aus. Bloß gut, dass Lütt Matten eine separate und volle Starterbatterie besitzt. Damit animiere ich unproblematisch den Motor zur Arbeit, dessen Lichtmaschine dann schnell die Serviceakkus in den grünen Ladebereich bringt. Als Ultima Ratio stünde mir noch ein kleinen Benzingenerator zur Verfügung, mit dem ich über Mattens 220-Volt-Anschluss ebenfalls die Batterien hätte laden können. Wie halt bei vielem technischen Gedöns an Bord, sollte man immer für Redundanz sorgen.
die zwei Servicebatterien mit je 135 Ah dürfen bald in den verdienten Ruhestand gehen
Andreas mit Stehvermögen
Anders als Lütt Mattens Batterien zeigt Andreas angesichts des Regens absolutes Stehvermögen und wird für sein stundenlanges Ausharren am Ruder mit der Sichtung eines Schweinswales belohnt.
Bei achterlichem bis schließlich halbem Wind segeln wir schnell und doch gemütlich bis Darßer Ort. Nach unserem Kurswechsel auf 90 Grad können wir nur hart am Wind segeln, gerade noch an der machbaren Kante, verlieren dabei aber ordentlich Geschwindigkeit. Zeit zum Abfallen bleibt uns auch nicht, denn die herbstliche Sonne wird den Lichtschalter bald schon ausknipsen. Ich möchte gerne bei Tageslicht ankommen. Also heißt es Höhe kneifen.
Kurswechsel vor Darßer Ort
Als die Logge unter 4 Knoten fällt, starte ich den Motor, lasse das Groß aber stabilisierend stehen. Nach zwei Stunden erreichen wir die Westküste von Hiddensee und biegen ab in Richtung Barhöft. Die Szenerie ist immer wieder beeindruckend. Mittlerweile befindet sich die gesamte Crew an Deck. Wir nutzen die Zeit, um Fender und Festmacher vorzubereiten. Ich nehme mir fest vor, in diesem Jahr freiwillig nicht wieder auf die Gummipuffer zu verzichten. Bei unserem letzten Anleger in Barhöft lagen die Fender gut vorbereitet, aber eben sinnlos an Deck. Mangels Kommando des Skippers. Allerdings war damals meine Annäherung zum Steg so sanft, dass Lütt Matten keinen Schaden nahm.
vor Hiddensee, der kurze Schlenker der gelben Linie am obigen Bildrand ist das Bergen des Großsegels
Barhöft ohne Blessuren
Hm. Der Anleger läuft nicht ganz erwartungsgemäss. Eine Stegecke außerhalb meines Sichtfeldes macht mich etwas nervös. Aber Grit fendert gut ab, Andreas springt sicher von Bord und Uli schmeißt gekonnt die Vorleine. Matten und Steg bleiben ohne Blessuren. Festmacher und Spring liegen dann ganz schnell. Der Aluhocker hilft, den Höhenunterschied zwischen Deck und Steg zu überwinden. Noch vor dem Anlegerbier fange ich schnell den freundlichen Hafenmeister ab. Für 36 plus 8 Füße löhnen wir insgesamt 24 Euro. Dafür stehen uns dann die essentiellen Annehmlichkeiten wie Strom, WC und heiße Duschen zur Verfügung. So, und nun das obligate Bier.
Einer kleinen Tradition folgend zieht es uns am Abend in das neben der Marina befindliche Restaurant Seeblick. Bisher kamen wir hier immer gerade noch rechtzeitig zum letzten Essen der Saison. So auch in diesem Jahr, obwohl der neue Inhaber eigentlich weiter arbeiten wollte… Das Essen war übrigens sehr lecker.