Nach sechs Tagen des Wartens auf ein passendes Wetter- und Gezeitenfenster habe ich es satt und trete voller Frust den Rückzug an. Eigentlich wollten wir heute früh um 4 Uhr die Leinen lösen. Eigentlich. Beim letzten Wettercheck werden plötzlich Gewitterfronten prophezeit. Die benachbarten niederländischen Segler stornieren die gemeinsame Abfahrt. Das bedeutet, wieder mehrer Tage im Hafen zuzubringen. Nöö.
In den letzten Tagen diskutierten wir hier gemeinsam viel über die Wettervorhersagen und den besten Zeitpunkt zum Ablegen. Dabei habe ich beim Pokern mit Wind und Gezeiten viel gelernt. Insbesondere braucht es gute Planung und Geduld. Mit Lütt Mattens Tiefgang von 1,90 m ist Norderney für mich die einzige Möglichkeit, auf dem Weg gen Westen einen Zwischenstop einzulegen. (Gut, ich hätte noch einen Haken über Helgoland schlagen können. Hätte, hätte, Ankerkette.) 68 sm direkte Linie von Cuxhaven nach Norderney, also ohne Kreuzen. Dies bedeutet, mindestens 12 Stunden reines Segeln und ein Ankommen in der Nacht, falls die dortige Tide überhaupt ein Einlaufen erlaubt. Bei diesen Rahmenbedingungen und dazu einhand verläßt mich nach den Tagen des Wartens einfach der Mut und die Motivation, zumal das nächste Sturmtief anrücken soll und ich dann wieder festhänge. Immer wieder hadere ich mit mir und frage mich, was ich hier eigentlich mache.
Kurzentschlossen verlasse ich die holländische Wartegemeinschaft und trete den Rückzug an. Mit der letzen Rille der Gezeit verlasse ich Cuxhaven und segle gen Brunsbüttel. Meine Gedanken sind ambivalent. Mir geht es besser, endlich den Tag nicht tatenlos verbringen zu müssen. Und doch ist da auch ein Gefühl des Scheiterns.
Stimmungsaufhellend ist dann mein Schleusen. Alles klappt super, während eine vierköpfige Crew hinter mir es erst mit dem Öffnen der Schleuse (da löse ich schon wieder die Verbindung zum Steg) schafft, ihr Boot festzumachen. Deren Fender hängen dabei sinnlos über dem Steg. Es ist keine Schadenfreude, sondern ein wenig Stolz, dass ich das mittlerweile alleine hinbekommen.
Es ist nach 14 Uhr und klar, dass ich nicht vor 22 Uhr in Kiel-Holtenau ankommen würde. Derzeit darf man sich als Sportboot nur bis 21.30 Uhr auf dem NOK rumtreiben. Also biege ich in Rendsburg nach Backbord ab und schaue mal, ob es noch den 15-Euro-Mann gibt.
Es bedarf mehrere Runden des Kreisens, bis ich die richtige Strategie zum Anlegen mit leicht ablandigem Wind, gefunden habe. Wenig Platz, ein maroder Steg mit hervorstehenden Plankenhölzern und niemand, der mir einen Festmacher entgegennimmt. Ich glaube, so viele Fender hingen bei Matten noch nie auf einer Seite. Egal. Matten liegt sicher und unbeschadet fest. Und während ich noch die letzte Spring lege, kommt, na wer schon, der 15-Euro-Mann. Immerhin, es sind immer noch 15 Euro für eine Nacht. Und während wir eine Weile schnaken, warte ich vergeblich auf seine Offerte, eine, nein, die Seglerbibel mitzunehmen.
Die Liegeplatzgebühr ist eigentlich blanker Wucher. Kein Strom und ein morscher Steg, auf dem man jedes Brett vor dem Betreten erst begutachten muss, ob es noch hält. Über die Wellnessoase lasse ich mich mal nicht weiter aus… Sauber ist es aber. Und dieser Platz hat nun mal für mich Geschichte.
Ich schmeiße den Grill an und gönne mir einen halben Liter Wein. Muss jetzt sein.
Immerhin gehst Du nicht ins Gefängnis und ziehst auch nicht 4000DM ein, sondern gehst scheinbar nur zurück auf Los.
Aufgeschoben ist nicht Aufgehoben. Und: In der Natur hat alles einen Sinn!
Also Frust beiseite schieben, die Erfahrung mitnehmen und erstmal wieder die heimische Ostsee genießen.
Viel Glück und gute Winde!
Naja, mit dem Gefängnis ist das so eine Sache. Gefangen bin ich ja zwischen Wollen und Können. Meinen Freigang würde ich auf dem NOK nehmen und 28 Tag auf dem Kanal hin und her fahren. Das entspräche dann ungefähr der Entfernung von Cuxhaven bis Lissabon. Mein Ziel hätte ich erreicht und wäre vielleicht wieder resozialisiert. Ahoi
Hallo Stefan,
Allein auf der Ostsee kann man ja 100 Jahre segeln und immer noch Neues entdecken. Segeln heißt ja auch immer flexibel auf sich ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren und das Wetter kann man nunmal nicht ändern. Also Kopfhoch, Handbreit und immer den richtigen Wind.
Ahoi Franky
Moin, da hast Du natürlich völlig Recht. Danke für die Aufmunterung.
Ahoi