Wasser unter dem Kiel und Asada

Die Tickets für die heutigen zwei Fähren hatten wir in Pucon mühsam online gebucht. So können wir heute länger schlafen und in Ruhe unser Frühstück mümmeln. Andreas bereitet uns mit seinem Kopfkino gute Laune. Das Gespräch dreht sich nach der Abhandlung des Zustandes der hiesigen sanitären Einrichtung um die Durchsichtigkeit von Sehhilfen. Mein Nachsinnen, ob man auch Brillen mit Lotuseffekt ordern könne, erzeugt bei Andreas sichtbare Fragezeichen auf der Stirn. Er ist noch gedanklich bei Toilettenbrillen und missversteht meinen Gedankengang am Frühstückstisch völlig. So blöd ist die Idee von schmutz- und wasserabweisenden Brillen in Bezug auf manch vorgefundene Toilette aber auch nicht. Nur am Essenstisch möchte ich, wie Andreas auch, nicht weiter darüber nachsinnen.

Es frischelt, doch die Sonne hat ihr wärmendes Tagewerk schon begonnen. Eine gute Tat leisten wir per Starthilfekabel einem stromlosen chilenischen Fahrer, bevor wir zum Fährterminal rollen. 200 Meter von unserem Quartier entfernt ist die Rampe, auf die wir gleich auffahren dürfen. Pünktlich legen wir ab (deutsche Wurzeln in einem südamerikanischen Land ?) und fühlen uns schnell an norwegische Fjorde erinnert. Eine erster Pinguinsichtung per Teleobjektiv und eine vor dem Steven der Fähre flüchtende Robbe sind tierische Höhepunkte. Die Fähre zieht ruhig  an Lachs- und Muschelfarmen und schneebedeckten Bergen vorbei. Immer wieder tauchen auch solitär stehende Vulkane auf. Ein Wasserfall, der sich aus  großer Höhe in den Pazifik ergießt, macht das Bild vom norwegischen Fjord komplett. Nach vier Stunden endet der erste Teil des Seetransfers. Kollektiv fahren alle Mobile mit wehender Staubfahne zur nächsten Fährstation. Und schon werden wir auf die zweite Fähre gewiesen. Eine halbe Stunde dauert diese Überfahrt. Wir lassen nach Erreichen der Fährterminals die Autokarawane weiterziehen. Deren Staubwolke wollen wir uns ersparen. In Ruhe fahren wir durch den Park Pumalin, vespern an einem See und  erreichen nach 60 km Staubpiste unseren Zielort Chaitén. Dieses Örtchen erlebt derzeit seine zweite Geburt, denn vor wenigen Jahren überzog der naheliegende Vulkan hier alles mit Asche. Schon einige Kilometer vor Chaitén sahen wir gespenstische Wälder, die, wie nach einem großen Brand, sich erst langsam von der Katastrophe erholen. Mühsam kehrt das Grün zurück. Die chilenische Regierung wollte diesen Ort aufgeben und einen Wiederaufbau verhindern. Doch die Menschen zogen nach und nach zurück und besetzten ihre eigenen Häuser. Mittlerweile hat der Staat den Kampf gegen die Einwohner aufgegeben.

Unser Quartier macht einen freundlichen Eindruck. Beim Gespräch mit dem Wirt über Abendbrotoptionen werden wir kurzerhand zum Grillen mit Freunden eingeladen. Asado nennt man das hier. Wir fahren gemeinsam an einen Strand am Pazifik und helfen noch kurz beim Treibholzsammeln. Andreas mimt den Kraftmeier und schleppt einen ganzen Baumstamm an. Und schon lodert ein schönes Feuer. Unsere Wirt schmeißt seinen Grill an und legt chilenischen Spezialitäten auf. Gesalzenes Zwerchfell, Königskrabbe, würzige Würste und natürlich Rindfleisch, das allerdings sehr zäh bleibt. Mit Bier und Rotwein prosten wir uns zu, werden einander vorgestellt. Der Kontakt ist schnell da, kein Fremdeln oder so. Uli meint, es sei so, als wäre man in einer Familie aufgenommen worden. Es wird englisch, deutsch und spanisch parliert. Leicht betüdelt sitzen wir später im Kreisrund am Feuer, hören das Meeresrauschen und schauen fasziniert in den klaren Sternenhimmel. Es sollen auch Schnuppen vorbei gezogen sein. Lecker Essen und anregende Gespräche in gastfreundlicher Runde. Was kann man sich als Fremder mehr wünschen? Danke an Hermann, unserem Wirt,  für diesen überraschenden Abend.

Translate »