Okay. Heute soll die nächste Etappe starten. Und damit beginnt das ungewohnte Leben mit Gezeiten. Hinter der Schleuse Brunsbüttel wartet die Elbe auf mich, die es, wenn man nicht zur rechten Zeit am richtigen Ort ist, hier durchaus ihre Tücken haben kann. Also prüfe ich nochmals den Gezeitenkalender. Etwas nach 8 Uhr wird der Gezeitenstrom kippen. Das Hochwasser läuft dann wieder in Richtung Elbmündung ab. Damit sollte ich sicher eine Extraportion Schiebehilfe gen Cuxhaven, meinem heutigen Ziel, bekommen. Blöd nur, wenn Strom gegen Welle steht. Es wird immer wieder davor gewarnt, bei stärkerem Westwind und ablaufendem Wasser in See zu stechen. Eine fiese und heimtückische Welle wäre das Ergebnis. Ist aber heute nicht der Fall. Mit leichtem südöstlichen Wind sollte die kurze Strecke gut zu bewältigen sein. Na dann los.
Meine Päckchenlieger sind auch schon wach. Eines der Kinder hat Geburtstag. Trotzdem fließen Tränen, weil die Eltern kurz davor sind, ihre Reisepläne aufzugeben. Ich versuche, den beiden Mut zu geben. Nach der langen Zeit der Vorbereitung und den sicher hohen finanziellen Aufwendungen sollten sie jetzt nicht aufgeben. Arbeitsstellen wurden gekündigt, die Kinder für ein Jahr aus der Schule genommen. Jetzt schon das Handtuch werfen? Die Familie läßt sich umstimmen, vereinbart einen Krantermin in Cuxhaven und will mit mir zusammen durch die Schleuse gehen. Die Familienmutter bedankt sich mit einem Lächeln bei mir (hoffentlich war die Entscheidung dann auch richtig), das Geburtstagskind lächelt wieder und ich freue mich, vielleicht einen klitzekleinen Beitrag zum Gelingen des großen Vorhabens der Familie geleistet zu haben.
Wieder kreise ich eine Ewigkeit vor der Schleuse bis endlich ein blinkendes Licht das Signal zur Einfahrt gibt. Mit Unterstützung einiger freundlicher Herren gelingt das Anlegen am Steg. Es ist heute tüchtig eng. Und fast hätte Mattens Nase am vorausliegenden Boot Schaden angerichtet. Doch ich kann Lütt Matten rechtzeitig aufstoppen. Die Männer halten derweil Matten sicher am Steg. Beim Ausschleusen kann ich mich für die Hilfe revanchieren, denn ein Festmacher der Herren vertüdelt sich und muss am Steg verbleiben. Ich springe nochmals von Bord, greife mir den Tampen und werde versuchen, diesen dann in Cuxhaven der netten Mannschaft zurückzugeben.
Wie erwartet, empfängt mich die Elbe mit einem ordentlichen Schiebestrom und wenig bis null Wind. Entlang des roten Tonnenstriches hangle ich mich brav außerhalb des gekennzeichneten Fahrwassers bis Cuxhaven. Bei Tonne 32b biege ich dann schon wieder nach Backbord ab. Gut, dass ich mich vorher über die Marina informiert hatte, denn am Zugang selbiger ist die Elbströmung sehr stark. Mit einem Vorhaltewinkel von 45 Grad versuche ich dem zu begegnen, drücke den Gashebel kräftig nach unten und schieße dann sicher in das Hafenbecken. Ist sonst nicht meine Art, so einzulaufen. Aber anders ging es nicht.
Ich drehe jetzt einige Runden und bereite derweil Matten fürs Anlegen vor, denn ich möchte noch am Steg der Tanke festmachen. Dort verzieht sich gerade eine unfreundliche Hand, sodass ich dass Vergnügen habe, das Manöver völlig hilflos alleine zu fahren. Na, das gibt Hafenkino. Mittlerweile bläst nämlich ein blöder Wind von Osten, der Matten schnell vertreiben könnte. Ich fahre im zweiten Anlauf an den Steg, werfe einen Festmacher über eine Klampe am Steg und habe schon fast gewonnen. Doch der Wind drückt Mattens Heck kräftig vom Steg und es poltert an Mattens Bugspitze. Ich greife mir schnell zusätzliche Fender, um Schlimmeres zu verhindern. Dann ziehe ich Matten mühsam wieder an den Steg und bekomme schließlich das Boot sicher fest. Natürlich versuche ich gleich, den möglichen Schaden zu begutachten. Geht aber nicht, weil keiner entstanden ist. Puh.
Das Tanken selbst ist auch dämlich, weil man vorher einen festen Geldbetrag an der Tanksäule eingeben muss. Dumm nur, dass Mattens Füllstandsanzeige nicht funktioniert und ich so nicht weiß, wie der eigentliche Bedarf ist. So order ich den Diesel in mehreren Schritten. Mittels Kanister kann ich den “überschüssigen“ Kraftstoff in einen Kanister füllen. Meine Schätzung, pro Betriebsstunde drei Liter Diesel zu verbrauchen, stimmt aber. Ich nehme mir vor, gleich nach dem Anlegen nochmal den Bootsservice in Barth anzurufen und endlich die Anzeige wieder zum Ausschlagen zu bewegen. Joo, Einhändiges Anlegen bei ablandigem Wind muss ich also noch weiter üben.
Und dann sehe ich die besagten Herren von der Schleuse Brunsbüttel schon winken. Direkt neben ihnen ist ein Liegeplatz frei. Wieder braucht es zwei Anläufe zum Anlegen. Bei dem seitlichen Wind muss ich ordentlich vorhalten. Scheinbar macht das neue Notruder der Windsteueranlage das Manövrieren etwas schwerer. Jedenfalls habe ich wieder einen Schutzengel über mir und mehrere am Steg. Das Manöver gelingt bei mittlerweile 20 Knoten Wind gut und ohne Blessuren. Was mache ich bloß, wenn mal keine helfenden Hände zur Stelle sind?
Ein kühles Anlegerbier muss jetzt sein. Und ein Mittagsschlaf. Der gestrige Tag und die Aufregung der letzten Minuten hat geschlaucht. Doch zuvor schaue ich mir das Wetter für die kommenden Tage an und beschließe, morgen nicht gleich weiter zu segeln. Zu stark soll der Wind zum Abend werden. Wie sich später herausstellt, eine gute Entscheidung. Liegeplatzgebühr am Automaten bezahlen und Feierabend. Feierabend? Denkste. Ein kräftiges Klopfen weckt mich. Eine freundliche Hafenmeisterin weißt mich auf ein kleines Schild hin. Dieser Liegeplatz sei Booten mit mehr als 41 Füßen vorbehalten. Ich möge also bis spätestens morgen nochmal die Box wechseln. Meinen Nachbarn geht es ebenso, doch diese zahlen bereitwillig den Längenaufpreis von 60 Euro und wollen nicht wechseln. Mir ist das zu teuer, warte aber mit dem erneuten Hafenmanöver ab, bis der Wind vielleicht zum Abend nachlässt. Macht er dann auch kurzzeitig. Ich nutze die Zeit zwischen zwei Böen und verlege Matten in einen anderen Slot, der im übrigen auch wesentlich geschützter ist. Die sehr nette Hafenmeisterin steht auch schon am neuen Liegeplatz und nimmt mir die Festmacher entgegen. Toller Service.
So, für heute wurden ausreichend Hafenmanöver gefahren. Mal sehen, wie lange ich in Cuxhafen kleben bleibe. Ahoi