Am Sonnabend starte ich meinen zweiten Versuch, den Barther Yachthafen zu verlassen. Uli hat sich kurzfristig entschieden, mich auf diesem Törn zu begleiten. Das macht die Fahrt doppelt schön und wird sich im Nachgang auch als Glücksfall erweisen.
Mit einem kleinen Schlenker über Prerow erreichen wir mit dem vorletzten Büchsenlicht Barth, verstauen unsere sieben Sachen. Nach dem Aufklarieren von Lütt Matten gehen wir auf eine kleine Stadtbesichtigung und können sogar noch einen kurzen Blick in die Barther Sankt-Marien-Kirche werfen, denn hier endete gerade ein Gospelkonzert unter dem Motto „Let your mind fly“. Das wollen wir beide morgen auch, allerdings unter Segel. Krönender Abschluß ist der Genuß der ersten Scholle im Boddenkieker am Westhafen. Das schönes Ambiente und die gute Küche sind eine Empfehlung wert. Es werden hoffentlich, wie schon im vergangenen Jahr, noch viele Schollen meinetwegen ihren Weg in die Pfanne finden.
Sonntag früh klingelt um Sechs der Wecker, denn vor uns liegen rund 60 sm. Lütt Matten trägt noch eine dünne Eisschicht, die sich aber mit zunehmender Kraft der Morgensonne schnell verdünnisiert. Die See kräuselt sich nur leicht. Der Wasserstand liegt gut 10 cm über Normal. Der Ableger sollte also kein Problem werden. Nach dem Frühstück starte ich den Motor und lasse ihn eine Viertelstunde tuckern. Ich checke alle Ölstände und finde in der Motorwanne nur eine kleine Ölpfütze, die wohl noch von der Motorrevision stammt. Dick eingemümmelt mit vollem Ölzeug geht es nun raus auf den einsamen Bodden. Die Tonnen sind nicht immer gut und schnell zu finden. Uli übernimmt das Ruder, ich suche mit Fernglas und Plotter den richtigen Tonnenstrich. Im Nachgang meinte Uli selbstlobend, sie hätte doch wohl gut „getonnt“. Hat sie. Und ich bin froh, dass ich den richtigen Weg nicht alleine finden mußte.
Nach Barhöft wird es wieder einfach und nochmals sehr schön. Die Fahrrinne führt direkt am Weststrand von Hiddensee vorbei. Doch dann legen wir das Ruder hart Backbord mit Kurs auf Darßer Ort. Der Wind hat mittlerweile gut zugelegt und beim Segelsetzten gehen wir gleich ins Reff. Der Motor verstummt und der Spaß geht jetzt richtig los. Endlich segeln! Mit Wind im Rücken legt Matten so richtig los und geht mit teilweise 8,5 Knoten durch die Wellen. Deren Höhe gewinnt mehr und mehr, der Wind dreht weiter auf und ich berge das Groß. Ohne Bullenstander ist mir der Kurs mit leicht wechselnder Windrichtung zu riskant. Sonst wäre jetzt sicherlich ein Schmetterling angesagt. Aber auch nur mit Genua bleiben wir deutlich über 6 Knoten schnell. Wir passieren einen großen Windpark und halten gut Abstand zur Küste. So wäre auf Höhe Prerow ein freundliches Winken sinnlos, auch wenn meine brüderliche Familie dort gerade am Strand Ausschau hält. Außerdem füttert Uli kurzfristig die Fische an, obwohl wir keine Schleppangel ausgelegt haben. Meinem Schwager Andreas zu folge, wäre es mit der jetzigen flotten Fahrt durch das Wasser eh sinnlos. Gut, ich kenne mich da nicht aus und beschränke mich auf den Verzehr des Fisches (siehe Oben).
Ulis Bewältigung ihrer Seekrankheit:
Der neue Autopilot unter Windfahnenmodus macht seinen Job leise und sicher. Eine unverzichtbare Hilfe für mich:
Nach Darßer Ort biegen wir mit Halbwindkurs „links“ ab mit Kurs auf Warnemünde. Uli liegt in der Koje und will vorschlafen, denn ich habe ihr eine recht späte voraussichtliche Ankunftszeit genannt, die ich selber unglaubwürdig finde, mein Ipad aber so ausspuckt. Immer noch rauschen wir beständig mit über 6 Knoten dahin. Das Groß habe ich wieder rausgezogen, allerdings nur zur guten Hälfte. So segeln wir schnell und doch sehr komfortabel, ohne übermäßig auf der Backe zu liegen, wenn mal wieder 7er Böen einfallen. Gut so. Irgend ein Segelguru schrieb einmal, man solle schon bei dem ersten Gedanken an ein mögliches Reffen, dies auch tun. Ich glaube, diese Weisheit gehört zu einem der ersten Gebote eines Seglers.
Die Laune ist besser als die Mimik 🙂
Als wir uns nur noch gute 12 sm vor Warnemünde befinden und die Sonne immer noch recht hoch steht, merke ich, daß die Prognose meines elektrischen Tablettes nicht stimmen kann. Und siehe da, bei meiner Eingabe von Wegpunkten ist Warnemünde nur ein Zwischenziel und es soll auf dem Landweg zurück nach Barth gehen. Da staune ich, dass dieser nur zusätzliche 7 Stunden dauern soll. Als eine Stunde vor tatsächlicher Ankunft Uli wieder in der Pflicht auftaucht und ich sie mit der Nachricht beglücke, dass die Nachtfahrt ausfällt, fühlt sie sich zuerst verständlicherweise etwas auf den Arm genommen. Ich gestehe meine kritiklose Übernahme des Ipad-Blödsinns und wollte diese Peinlichkeit hier eigentlich auch nicht erwähnen. Nun ist es aber raus und ich bin die Last der Geheimniskrämerei los.
Ulis Lob war nicht abgesprochen !
Das phantastische Segeln unter wolkenlosem Himmel findet langsam ein Ende. Ich bespreche mit Uli die kommenden Manöver und bereite zumindest die Achterleinen vor. Den Rest, also Vorleinen und Fendergedöns wollen wir im geschützten Vorhafen erledigen. Bei dem Wellengang muß man nicht unnötig auf dem Vorschiff rumturnen. Also rollen wir in Ruhe das Vorsegel ein und sind bis kurz vor Hohe Düne mit stark gerefftem Groß immer noch 5 Knoten schnell. Für das Bergen des Restgroß müssen wir Mattens Nase in den Wind schieben. Also Motor an und… ein eindringlicher Warnton alarmiert mich, dass da etwas nicht stimmt. Doch in dieser drohenden Legerwallsituation müssen wir den Alarm ignorieren und zusehen, schnellstmöglich in den Hafen zu kommen. Klar, ich hätte noch versuchen können, uns ohne Motor wieder frei zu segeln. Aber da fehlte mir der klare Kopf und sicher auch die Erfahrung. Der Motoralarm verstummt auch ganz schnell und alles scheint in bester Ordnung. Mit großzügigem Vorhalten knallen wir ins Hafenbecken und fühlen uns sicher. Der Rest klappt wunderbar, Uli und ich geben uns gut gelaunt die Fünf. Perfektes Manöver. Es folgt das obligate Anlegerbier bzw. für Uli ein Whisky.
Landstrom legen, Leinen und Fender klarieren und den Puls runterfahren. Und dann will ich doch noch den Motor checken. Der Alarm muß ja eine Ursache haben. Hat er auch. Jedenfalls hätte der Motor jederzeit seinen Geist aufgeben können.
Als ich Uli dann von der zerschellten 50er Bavaria mit 4 ertrunkenen erfahrenen Seglern in Rimini erzähle, die vor zwei Wochen ebenso in einer Legerwallsituation waren (sicher noch wesentlich verschärfter) und plötzlich ohne Motor nicht mehr manövrieren konnten, wurde sie dann doch etwas bleich. Uns beiden war die Freude am heutigen schönen Segeln genommen. Dabei war der Motor letzte Woche im Service! Wir sind fassungslos und etwas geschockt. Jedenfalls hätte der heutige Tag auch anders ausgehen können. Mehr dazu später.