Fluchtplan mit obskurer Begegnung

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Bei fast blauem Himmel und etwas weniger Wind schmieden wir beim Frühstück für den ersten Hafentag einen Fluchtplan, denn noch läuft die Hansesail in Rostock und Warnemünde.  Diesen Massenanlauf an Menschen wollen wir uns nicht antun. Uli möchte mir ein Stück ihres jüngsten Pilgerweges zeigen, den sie als besonders schön empfunden hat. Am Bad Doberaner Bahnhof parken wir ab und laufen dann tatsächlich einen romantischen Weg durch schattige Wälder. Zumeist führt der Pfad entlang eines Bachlaufes. Brombeeren, Pflaumen und Marillen lassen uns öfter pausieren.

Eine gutbesuchte Ausflugsgaststätte läßt uns bei Scholle Nr. 3 und Matjeshering gut verweilen. Schnell kommen wir mit unseren Tischnachbarn ins Gespräch und ich genieße dabei die altheimatliche Sprachmelodie der drei Damen.

Auf derartigen Wanderungen oder Pilgerwegen, wie auch immer man es bezeichnen mag, öffnet sich der Blick seltsamerweise gerade für die kleinen Dinge und führt oft zu interessanten, manchmal auch obskuren Begegnungen. Ein Hinweisschild auf eine Töpferei macht uns neugierig. Obwohl Sonntag, stehen deren Türen offen. Es dauert nicht lange und der Meister des Keramikwerkstatt folgt uns in die Ausstellungsräume und qualifiziert uns gleich als Touristen ab, warum auch immer. Anfänglich doziert er über die richtige Gestaltung von Gebrauchsgeschirr. Mittels tropfsicherem Rand könne man das Kleckern beim Trinken vermeiden. Noch empfinden wir das Gespräch, oder besser den Vortrag, als engagierte Werbung für das Keramikhandwerk, obwohl eigentlich nur der anwesende Drehscheibendreher alles richtig macht und einzig er vom Baum der Handwerkerkenntnis gegessen hat. Jedenfalls kommen seine Keramikerkollegen nicht gut weg. Naja, so langsam werde ich misstrauisch. Aber der gute Mann ist nicht nur der Allwissende des Töpferhandwerks, sondern entpuppt sich auch als recht verquerer Gesundheitsapostel. Mittels seines Geschirrs könne man sich gesund kochen und damit vielerlei Gesundheitsprobleme lösen. Kaputte Gelenke, Krebsleiden…. Die Gedanken sind teilweise recht abstrus, wenn nicht sogar gefährlich. Zumindest wenn Ärzte sämtlichst verteufelt werden und in der angeschlossenen Heilpraxis Patienten ohne ärztliche Anweisung zum Absetzen von Medikamenten animiert werden. Ich habe da in meiner beruflichen Vergangenheit schlimme Dinge erlebt, als selbsternannte Gesundheitsgurus ihr Unwesen trieben und Patienten dadurch schließlich in der Notaufnahme landeten. Also, alternative Heilmethoden gerne, aber bitte nur als komplementäres Therapieverfahren.

Bevor man hier überhaupt „therapiert“ wird, muss man ein “Seminar“ belegen und wohl auch entsprechende Keramik kaufen. Geniale Geschäftsidee, mir aber sehr suspekt.  Nee, Schuster, sprich Keramiker, bleib bei deinen Leisten bzw. deiner Drehscheibe. Übrigens werden auch sämtliche Bäcker verteufelt. Brot dürfe nur mit frisch gemahlenem Korn gebacken werden, sprich daheim und natürlich mittels der entsprechenden Keramik. Und Braten in der Pfanne geht auch nicht. Alles klar? Wer mag, möge hier durchaus ansprechende Keramik kaufen und gut ist.

Der weitere Weg führt weiter vorbei an beschaulichen Orten und wir versuchen, den Groll über den gehörten Blödsinn schnell zu vergessen.

Die Bewegung tut uns nach dem gestrigen langen Kilometerabsitzen gut. Nach ca. 10 Kilometern endet unsere Runde.

Wieder an Bord von Lütt Matten bleibt nur kurz Zeit für einen aufmunternden Kaffee, denn unsere Stegnachbarn laden uns zu einem Kurztörn ein. Auf dem jüngst glücklich erworbenen 46-Fuß-Boot, also ganze 10 mehr als unser Matten, genießen wir den Ausflug gen Stadthafen. Ich staune über die Gelassenheit des Skippers, denn es wuselt mächtig auf der Warnow. Wir sehen viele historische Drei- und Viermaster, die das eigentliche Flair der Hansesail ausmachen. Natürlich dürfen wir auch mal einen Blick in dieses wahrlich dicke Schiff nehmen und können den Eignern nur herzlich gratulieren. Während des 2stündigen Törns entspinnen sich schnell gute und auch private Gespräche. Ich fühle mich bei so viel Segelerfahrung und souveräner Schiffsführung des Skippers gleich wieder etwas kleiner, nutze aber auch die Chance, ein wenig von den Erfahrungen „abzuschöpfen“. Etwas neidisch bin ich insbesondere auf das Heckstrahlruder der nagelneuen Bavaria. Das würde meine Hafenmanöver um ein vielfaches vereinfachen…

Die Ausfahrt endet mit einem plauschigen Anleger, den ich mit meinem schnell herbeigeholten Wiskey noch etwas verlängern kann. Herzlichen Dank für die Einladung und wir freuen uns auf weitere Begegnungen.

Müde fallen wir in die Koje. Das Einholen des Adenauers habe ich dabei ob des eindrücklichen Tages ganz vergessen. Entschuldigung.

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