Am Wochenende wurde eine vor Monaten gemeinsam ersponnene Idee durch die Anfrage unseres Nachbarn, Freund und Ost-Nordeuropa-Rennradfahrer Andreas doch noch konkret. Ein gemeinsamer Törn von Trave- nach Warnemünde könnte zur kleinen Etappe seiner mehrmonatigen Rundreise werden. Nach kurzem Überlegen und prüfen der Wetterdaten sage ich gerne zu. Leider steht am Donnerstag ein dienstlicher Auftrag ( ja, so etwas habe ich noch) in meinem Kalender und ich habe nur ein Zeitfenster (sagt man jetzt so und klingt wichtig) von zwei Tagen für Hin- und Rücktour. Montag gehts per Auto nach Warnemünde. Noch am Abend bereite ich alles für einen zeitigen Ableger vor. Auf den Seekarten vermerke ich die Wegpunkte und Kurse und klariere Lütt Matten auf. Nur der Wetterbericht macht mir Sorgen. Es wird an Wind fehlen. Mit vollem Dieseltank wird es dann der Flautenschieber richten müssen.
Um 5 Uhr sollte der Wecker klingeln, doch schon gegen 4 bin ich wach. Schnell bereite ich eine Kanne Kaffee und ein herzhaftes zweites Frühstück auf dem Törn vor. Wie erwartet, ist die See in der Marina platt und der Ableger gelingt nachbarfreundlich geräuscharm. Außerhalb der Marina kräuselt sich das Wasser deutlich mehr. Das Morgenrot läßt schon einen Blick auf den riesigen Kühltum von Rostock zu und dessen Rauchfahne verheißt leichten Südostwind. Ich wollte unbedingt den Sonnenaufgang auf freier See erleben. Das frühe Aufstehen hat sich wahrhaftig gelohnt. Ich motore noch etwas die Fahrrinne gen Norden hoch um etwas besseren, weil ablandigen Wind zu erwischen. Dabei lasse ich einem AIDA-Kreuzfahrer gern noch die Vorfahrt und versuche es mal bei einem 5-Knoten-Lüftchen mit Segeln. Und tatsächlich, Groß und Vorsegel stellen sich faltenfrei und ohne zu killen in den Wind. Motor aus – und mit der aufgehenden Sonne im Rücken kann ich meinen Kurs auf Travemünde setzen. Westlich schwabbern einige landwärtige Nebelfelder. Doch ich bin weit genug von der Küstenlinie entfernt und kann bei guter Sich und etwas zunehmenden Wind geruhsam meine Bahn ziehen. Zu dieser frühen Stunde bin als Segler allein unterwegs und genieße die Einsamkeit auf dem Wasser. Das gleichmäßige Glucksen der Bugwelle bietet die passende musikalische Untermalung der Reise. Mittlerweile fahre ich einen guten Am-Wind-Kurs und versuche mich am Optimieren der Segelstellungen. Ein leichter Ehrgeiz packt mich, die Logge etwas mehr in die Höhe zu treiben. Nicht immer führt dabei mein Rumzuppeln an den Schoten und das Ändern des Holepunktes der Vorschot zum gewünschten Erfolg. Durch wiederholtes kurzes An- und Abluven kann ich Matten dann weiter ordentlich auf Trapp bringen und staune nicht schlecht, wie wenig Wind ausreicht für 6 Knoten Fahrt durch das Wasser. Am späten Nachmittag schläft dann der Wind ein. Einige Segler in Sichtweite versuchen noch, die Segel weiter gut stehen zu lassen. Doch auch sie folgen bald meinem Beispiel und bergen das gesetzte Tuch. Die letzten Seemeilen schiebt uns (Matten und mich) der Jockel gen Travemünde. Ein reger Fährverkehr mahnt zur Aufmerksamkeit. Der AIS-Alarm dengelt jetzt häufiger und ich schalte ihn schließlich ab. Kurz vor der Travemündung meldet sich Andreas vom avisierten Gastliegerplatz. Und einige Minuten später gehe ich schon in Marina Baltica längsseits. Gutes Timing. Ein netter Hafenmeister und Andreas nehmen die Festmacher entgegen und 49 Seemeilen liegen hinter mir. Das obligatorische Anlegerbier und eine herzliche Begrüßung des „verlorenen Nachbarn“ folgen. Nachdem wir das Weltenbummlerfahrrad sicher auf Lütt Matten verzurrt haben, maschieren wir zur nächstgelegenen Fischkneipe und haben uns bei lecker Fisch (Scholle, was sonst?) viel zu erzählen. Ich erhalte dann noch eine Meldung von „Big Brother“. Während meiner Einfahrt in die Trave schießt ein gwisser Arno Brüggmann mehrere Fotos von Lütt Matten und mir und sendet diese an „Marine Traffic“. Diese wiederum fragen mich per Mail, ob ich mit der Einstellung der Bilder auf ihren Seiten einverstanden wäre. Ich finde das anfangs noch lustig, aber nach genauem Überlegen ist das eigentlich dreist und datenschutzrechtlich sehr fragwürdig. Dieser Geschichte werde ich dann doch nochmal nachgehen.
Bei einem ordentlichen Absacker auf Matten beobachten wir den nächtlichen Fährbetrieb und stellen fest, das wir in unmittelbare Nähe der Wendeplatte liegen und beängstigend lautes Knistern der dort eingesetzten Strahlruder unseren Schlaf unruhig werden lassen. Wüßten wir nicht um die Ursache der Geräuschkulisse, würde ich das Signal zum sofortigen Klarmachen der Rettungsinsel geben. Doch Andreas und ich sind durch die permanete Frischluftzufuhr am Tage müde genug, um in einen erholsamen und tiefen Schlaf zu fallen.